KEPENEK

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Text: Suzanne Schwarz | Fotos: zvg

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Die Ausbildung Innenarchitektur hat in der Schweiz einen hohen Stellenwert. Was sind die Voraussetzungen, Unterrichtsmethoden, Schnittstellen, Anliegen, die wichtigsten Schweizer Hochschulen? Wir führten Gespräche mit Institutsleitern, Dozenten und Studierenden. Das Material ist so umfangreich wie interessant. Wir haben uns daher entschlossen, drei Teile daraus zu machen und beginnen mit Innenarchitektur und mit der jüngsten der Schweizer Hochschulen, der HSLU Luzern, Abteilung Architektur & Technik. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel mit dem Institut für Innenarchitektur und Szenografie setzt andere Schwerpunkte. Was bewegt Dozenten und Studierende, den Präsidenten der Vereinigung Schweizer Innenarchitekten und Innenarchitektinnen
VSI.ASAI.?


Bologna bestimmt
Seit die Umsetzung des Bologna-Prozesses auch in der Schweiz Pflicht ist, veränderte sich manches, nicht alles nur positiv. Einiges ist zu theoretisch aufgegleist, der akademische Titel «Bachelor», als Abschluss des Studiums gedacht, verlangt eigentlich nach einer Fortsetzung, dem «Master». Die Praxis sieht eben auch hier etwas anders aus als die Theorie. Ist zudem Innenarchitektur ein Beruf, der heute vorwiegend von Frauen angestrebt wird? Es scheint so, weshalb? Weil eben der auch international anerkannte Abschluss Master noch fehlt? Das muss sich dringend ändern. Institutsleiter und die Standesorganisation VSI kämpfen darum.


Beruf: Innenarchitektin
Innenarchitekten gestalten gebaute und neue Räume, Orte und Atmosphären. Die Bedürfnisse der späteren Bewohner werden ebenso mit einbezogen wie die Besonderheiten des Umfelds. Die Hochschule Luzern ist die jüngste Ausbildungsstätte, die den Studiengang Innenarchitektur anbietet. Wir sprachen mit dem Leiter, Prof. Thomas Plüss. In Luzern sind die Bereiche Innenarchitektur, Technik & Architektur unter einem Dach vereint. An der Schnittstelle zwischen Architektur, Gestaltung und Technik arbeiten die Studierenden der Innenarchitektur gemeinsam mit Kommilitonen der Studiengänge Design, Architektur, Bau- und Gebäudetechnik an spezifischen Themen, um einen interdisziplinären Austausch zu gewährleisten und planerisch umzusetzen. Mit Fachwissen und dem Fokus auf die Disziplin Innenarchitektur wird der hochschuleigene Leitgedanke «Das Gebäude als System» inhaltlich durch gezielte Sichtweise auf die Bedürfnisse und Lebensräume der Menschen erweitert. Die Fähigkeit, sich in die Gewohnheiten und Bedürfnisse anderer einzufühlen, ist eine wichtige Grundlage des Berufes. Dies und

eine eigene Handschrift zu finden, ist Aufgabe der Hochschule. Gelehrt wird ausserdem konzeptionelles und räumliches Denken, verbunden mit einer guten visuellen und sprachlichen Ausdrucksfähigkeit. «Man muss in diesem Beruf zeichnen können», sagt Thomas Plüss.
Aufgenommen werden pro Jahr 30 Studierende, die Aufnahme erfolgt über die Präsentation eines Portfolios und ein persönliches Aufnahmegespräch. Das Studium ist modular aufgebaut, studiert wird in Voll- oder Teilzeit. In den letzten Jahren hat sich die Innenarchitektur zum «Frauenberuf» entwickelt, in Luzern starten im nächsten Semester erfreulicherweise wieder sieben junge Männer.


Die Ausbildung
Angehende Innenarchitekten und -architektinnen lernen an der TH Luzern vor allem praxisbezogen, interdisziplinär und interkulturell zu arbeiten. Dies bezeichnet Thomas Plüss als beinahe wichtigste Maxime des Lehrplans. Die Nähe zu Ingenieuren und Architekten auf dem Campus erleichtert gemischte Teams und gemeinsame Projektarbeiten. Einige kommen bereits aus einer abgeschlossenen Berufslehre. Vielschichtiges Vorwissen ist wertvoll und geschätzt. So erfahren Studenten der Innenarchitektur etwas über Statik, die Ingenieure profitieren in Plenarbesprechungen von Informationen über Ästhetik und Innenarchitektur, für die meisten ein Aha-Erlebnis. Unterschiedliche Bildungswege – Matur mit Berufslehre oder Vorkurs und Praktikum – ermöglichen den Studierenden eine rasche und gute Integration in den Lehrplan.
Die Spezialität Luzerns sei die Praxisrelevanz, betont Thomas Plüss. «Was der Markt braucht, bilden wir aus», lautet seine Devise. Alle Dozenten unterrichten mit Teilpensen und haben einen direkten Bezug zur Praxis. Das Schwergewicht liegt auf Innenraumgestaltung und Umbau, das relativ neue Feld der Ausstellungsarchitektur/ Szenografie ist daher nicht im Lehrplan, dies ist die Spezialität der FHNW in Basel.
Die Ziele und der Weg dorthin werden heute vorwiegend durch Bologna vorgegeben, ein Praktikum nach Abschluss des Studiums soll den Einstieg ins Berufsleben erleichtern. Dennoch empfiehlt Plüss unbedingt, ein Praktikum während des Studiums zu absolvieren – mit guten Erfahrungen und dem stolzen Hinweis, alle Studierenden seien nach drei Jahren Studium absolut praxistauglich und fänden rasch einen Job und den Einstieg in die Arbeitswelt. Aktuell ist man dabei, den Boden für die Ausbildung zum Master vorzubereiten, ab 2015 soll dieses zwei Jahre dauernde Anschluss-Studium an der TH Luzern möglich sein. Bis dahin sei auch das von SIA anerkannte und von Plüss dringend geforderte Berufsregister REG eingeführt.
Man fühlt sich in Luzern auch der Forschung verpflichtet. Gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Typologie und Planung in Architektur CCTP arbeitet man an Zukunftsmodellen zur Innenraumgestaltung.

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Fachgespräche im
Farb-Lichtraum der TH Luzern

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Der Campus in Horw
Beim Rundgang mit Thomas Plüss durch den modernen Campus fallen die Ruhe und Konzentration auf, mit denen in den verschiedenen Ateliers und Werkstätten gearbeitet wird, allein oder in Teams. Es wird leise diskutiert, aufgezeichnet, gestaltet, es werden Modelle gebaut, die unterschiedlichsten Materialien begutachtet. Woher die deutlich spürbare Motivation der jungen Leute stamme? «Aus der Passion für den gewählten Beruf, der Begegnung mit Atmosphäre, Farbe, Licht, das vermitteln wir hier.» Man müsse Menschen mögen, denn Innenarchitektur diene dem Menschen, die Verbindung von der Ratio zur Intuition müsse stimmen. Nur so entstehen mit viel Herzblut immer wieder andere, individuelle Projekte. Ein Team arbeitet im Modul «visuelle Grundphänomene» gerade an einer Diplomarbeit, Innenarchitekten gemeinsam mit den zuständigen Architekten. In Fribourg soll aus dem Silo der ehemaligen Brauerei Cardinal ein Zentrum für moderne Musik entstehen, mit Rockbühne,

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Der neue Campus in
Basel ist fast fertig

Für die Firma Roser
konzipierter Projektraum,
eine Master-
Arbeit der HGK Basel

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Disco, Café und Übungsräumen. Hier geht es um die zukünftige Nutzung eines denkmalgeschützten Gebäudes und dessen neue Raumeinteilung. Mittels CAD, Renderings? Mitnichten: «Man muss für diesen Beruf zeichnen können, in frühen Besprechungen seine Ideen mit ein paar Strichen aufs Papier bringen.» Dann entstehen so wie jetzt im grossen lichtdurchfluteten Atelier selbst gebaute Modelle, jedes verschieden, jedes ein Kunstwerk. Anhand dieser Modelle erkennt man Ideen und geplante Nutzungen. Man darf gespannt sein, welches Projekt schliesslich umgesetzt wird und wie die Betreiber in Fribourg die Projekte beurteilen. Im November werden die Arbeiten in der Kunsthalle Luzern auch dem Publikum präsentiert.

Basel – die Fachhochschule Nordwestschweiz bricht zu neuen Ufern auf
Auf dem Basler Dreispitz Areal, dem Zollfreilager, das Schritt für Schritt zu einer Kreativzone umgebaut wird, entsteht der Campus Dreispitz der neuen Fachhochschule Nordwestschweiz. Zehn zur HGK gehörende Institute aus Basel, Muttenz und Aarau werden dort zusammengeführt. Der neue Campus ist für rund 750 Studierende und 250 Lehrende geplant, mehrere Bachelor- und Master-Studiengänge werden angeboten. Im neuen Campus laden Aufenthaltsräume, Werkstätten, Seminarräume, Medienplätze, Forschungslabors, Bibliothek usw. zum interkulturellen und interdisziplinären Austausch. Man erwartet viel vom Zusammenzug der Standorte und dem zukünftig gewährleisteten Austausch von Ideen und Informationen der Kommilitonen. «Sharing», «Teilen» – ein neuer alter Begriff wird gelebt. Am 12. September ist unter dem Titel «Preview» Einweihung für die Öffentlichkeit.


Die professionelle Innenarchitektur
Prof. Andreas Wenger, der Leiter des Instituts Innenarchitektur und Szenografie und mitten im Umzug seines Instituts vom Basler Stadtzentrum zum Dreispitz, erklärt Auftrag, Visionen und Spezialitäten der Fachrichtung Innenarchitektur und Szenografie, wie sie in Basel vermittelt werden. Wenger studierte in den 80er Jahren Architektur und wollte danach Häuser und Räume als Ganzes begreifen, mittels «Lesehilfe» Innenarchitektur. Konzeptionelles Denken und Interesse an funktionellen Lösungen für Gegenwart und Zukunft, klar kommuniziert
und im interdisziplinären Team gelöst, bilden die Schnittstellen zwischen
den Disziplinen.
Das Institut Innenarchitektur und Szenografie ist eines von zehn Instituten der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel. Die Entwicklung der Persönlichkeit, die Teilhabe an der kulturellen Weiterentwicklung einer Gesell-